Empfehlungen der Lostorfer Gruppe

Lostorfer Gruppe

Die Lostorfer Gruppe, nach ihrem früheren Tagungsort Bad Lostorf benannt, ist eine deutschschweizerische Vereinigung von Vertreterinnen und Vertretern der Jugendanwaltschaften, sowie der stationären Jugendhilfe und besteht seit 1974.

Sie ist bestrebt, die Zusammenarbeit zwischen den einweisenden Stellen und den Institutionen der stationären Jugendhilfe zu fördern. Als Ergebnis ihrer Beratungen formulierte die Lostorfer Gruppe bereits 1976 Leitgedanken und Richtlinien für einweisende Stellen und veröffentlichte sie in einer Broschüre mit dem Titel "Randbedingungen der Zusammenarbeit".

Diese Leitgedanken wurden in der Folge weiterentwickelt, und im Jahr 1987 publizierte die Lostorfer Gruppe dann die erste Auflage der "Empfehlungen der Lostorfer Gruppe zur Zusammenarbeit". Die nachfolgenden Ausführungen stellt nun die vierte überarbeitete Auflage dieser Empfehlungen dar.

 


Zielsetzung

Für die positive Entwicklung von Jugendlichen bei einer Fremdplatzierung ist die Zusammenarbeit von einweisender Stelle, Herkunftsmilieu und aufnehmender Institution von grösster Bedeutung. Auch wenn die beteiligten Fachleute bei jeder Platzierung eine individuelle Lösung finden müssen, lassen sich doch einige richtungsweisende Empfehlungen formulieren. Diese sollen dazu beitragen, das Interesse des jungen
Menschen wahrzunehmen und den Fachleuten im Jugendmassnahmenvollzug die tägliche Arbeit zu erleichtern.

Die Ausführungen zu den einzelnen Bereichen der Zusammenarbeit sind nach einem einheitlichen Schema verfasst. Zunächst wird das Thema dargelegt, und allenfalls auftauchende Probleme werden skizziert.
Anschliessend folgen

Die Empfehlungen betreffen die Zusammenarbeit zwischen den einweisenden Stellen und den stationären Einrichtungen für weibliche und männliche Jugendliche. Auf die Zusammenarbeit mit dem Herkunftsmilieu, die ebenso wichtig ist, wird nicht vertieft eingegangen, da dies den Rahmen dieser Ausführungen sprengen würde.

Wenn wir von Behörden und einweisenden Stellen sprechen, meinen wir damit

Wenn wir von stationären Einrichtungen der Jugendhilfe sprechen, so meinen wir in erster Linie

Wenn wir vom Herkunftsmilieu sprechen, können dies

sein.

Primär richten sich die Empfehlungen auf Einweisungsseite an die Behörden der Jugendstrafrechtspflege, doch gehen wir davon aus, dass sie auch den zivilen Behörden gute Dienste leisten können.

 


Informationsaustausch

Die Verhältnisse vor Ort sollten den einweisenden Behörden bekannt sein. Nicht abschliessende Listen stationärer Einrichtungen finden sich im Internet unter anderem unter: "www.jugendnetz.ch", auf der Homepage der Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft (www.jugendanwaltschaft.bl.ch).
Die konkrete alltägliche Erziehungs- und Betreuungsarbeit sowie die Atmosphäre des Zusammenlebens werden stark von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der aktuellen Gruppenzusammensetzung geprägt. Das Erziehungsklima lässt sich konzeptionell nur schwer erfassen, ist aber für die Entwicklung der Jugendlichen von grosser Bedeutung.

Die Institutionen der stationären Jugendhilfe sind in ständiger Veränderung begriffen: Interne Angebote bezüglich Schulung und Ausbildung, Krisenintervention, Therapie und Freizeitbeschäftigung werden laufend erweitert und differenziert, ohne dass dies sofort in den Dokumentationen festgehalten werden kann. Allerdings unterstehen auch die einweisenden Behörden einem ständigen Wandel und werden von den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie deren Haltung geprägt.


Für die einweisenden Behörden ist es deshalb nicht einfach, über das aktuelle Angebot und die geltenden Strukturen der sozialpädagogischen Institutionen den Überblick zu behalten. Auch für die Letzteren ist es oft schwierig, die Anliegen und Bedürfnisse der einweisenden Stellen zu erkennen. Umso wichtiger ist eine gut eingespielte gegenseitige Informationspolitik, die sich auf folgende zwei Prinzipi abstützt:


Zeitpunkt der Einweisung

Über die Bestimmung des "richtigen" Zeitpunkts für einen Eintritt lassen sich kaum allgemeine Regeln aufstellen, die Gewähr für den sogenannten Erfolg der Massnahme bieten. Die Wahl des "richtigen" Zeitpunkts wird geprägt durch das Ausmass der Selbst- und Fremdgefährdung der Jugendlichen, durch die Bedürfnisse der Jugendlichen nach pädagogischen Strukturen, die Einsichtsfähigkeit der Jugendlichen und ihrer Familien sowie durch die Einstellung der einweisenden Behörden, des sozialen Umfeldes und des Herkunftsmilieus der Jugendlichen.

Erfolgt eine Platzierung erst, wenn allzu viele ambulante und teilstationäre Programme gescheitert sind und sich das deviante Verhalten der Jugendlichen immer mehr gefestigt hat, wird es schwierig, die Symptome, geschweige denn die Ursachen der Fehlentwicklung anzugehen. Anderseits kann ein zu früher Eintritt das Scheitern der Platzierung bewirken und einen weiteren Versuch erschweren. Deshalb ist zu beachten, dass dem Prozess der Entscheidungsfindung auf Seiten der stationären Einrichtungen wie auf Seiten der platzierenden Stellen genügend Zeit eingeräumt wird und während der Verhandlungen alle für den Eintritt relevanten Themen besprochen werden. Als Leitlinien für die Entscheidungsfindung bieten sich folgende Grundsätze an:

 


Evaluationsverfahren

Den einweisenden Stellen steht heute eine grosse Anzahl stationärer und teilstationärer Angebote zur Verfügung. Die Palette reicht von der offenen Wohngruppe bis zur stark strukturierten Institution, vom Angebot mit internen Ausbildungs- und
Beschäftigungsmöglichkeiten bis zum Kriseninterventionszentrum mit kurzfristigem Aufenthalt und von der Institution abseits des Ballungszentrums bis hin zur Einrichtung mitten in der Stadt. Die Vielfalt der Möglichkeiten setzt voraus, dass die einweisenden Behörden vor der Wahl der geeigneten Institution abklärten, wo die Jugendlichen stehen, was ihre Lernfelder sind und welches Angebot die besten Antworten auf die umschriebene Thematik geben kann.

Für eine notfallmässige Platzierung stehen den einweisenden Stellen Durchgangs- und Aufnahmeheime sowie Organisationen zur Vermittlung von Timeout-Plätzen zur Verfügung.

Ist eine umfassende Abklärung über die Notwendigkeit einer Fremdplatzierung, über die Ansprechbarkeit auf pädagogisch-therapeutische Hilfen und über die Berufseignung nötig, so erscheint ein vorübergehender Aufenthalt in einer Beobachtungsstation
angezeigt. Im Anschluss an die Beobachtungsphase planen Fachleute dieser Institution und die einweisende Behörde, in Zusammenarbeit mit dem Herkunftsmilieu, das weitere Vorgehen.

 


Entscheidungsfindung

Die Jugendlichen werden einer Einweisung in eine stationäre Einrichtung der Jugendhilfe in den meisten Fällen skeptisch gegenüberstehen. Aus diesem Grund müssen die einweisenden Behörden sowie das Herkunftsmilieu überzeugt sein, dass die angeordnete Massnahme richtig und für die Jugendlichen hilfreich ist. Spüren die Jugendlichen diese Einstellung der für sie verantwortlichen Personen, so ist ein wichtiger Grundstein für eine positive Motivation gelegt, die allerdings in der Institution erst noch gefestigt werden muss.

Über das Alltagsgeschehen, die Zielsetzung des Aufenthalts, über Schulungs- und Ausbildungsangebote sowie über die Therapiemöglichkeiten müssen die Jugendlichen offen informiert werden. Ihre aus den bevorstehenden Veränderungen resultierenden
Ängste müssen ernst genommen werden.

Motivationsarbeit ist häufig auch beim Herkunftsmilieu zu leisten. Negative Erfahrungen mit Behörden und Institutionen, Unkenntnis oder Angst können dazu führen, dass jegliche Massnahme abgelehnt wird. Oft versuchen die Eltern oder andere Bezugspersonen aber auch, sich in ihrer Resignation und ihrem Versagergefühl mit den Jugendlichen gegen Institution und Behörden zu verbünden.

Damit eine Platzierung richtig geplant und gestaltet sowie schlechten Erfahrungen vorgebeugt werden kann, müssen folgende Punkte beachtet werden:

 


Eintritt

Die Jugendlichen, die voraussichtlich mit vielen Vorbehalten und Ängsten in eine stationäre Einrichtung der Jugendhilfe eintreten, sollen freundlich und vorbereitet empfangen werden. Wesentlich leichter fällt ihnen diese Veränderung ihrer Lebenssituation, wenn sie die betreffende Einrichtung vorgängig bereits besuchen können (Ausnahme: Krisenintervention). Administrative Vorbereitungen wie z. B. förmliche Anmeldung, Einweisungsbeschluss und Finanzierung haben, wenn immer möglich, vorgängig zu erfolgen. Die Jugendlichen bringen die verlangte Grundausrüstung sowie persönliche Gegenstände mit. Eine sorgfältige Begleitung und Betreuung während der ersten Tage ist besonders wichtig, damit sich die neu Eintretenden mit den verschiedenen Mitarbeitenden und ihren Zuständigkeiten vertraut machen können. Der Eintritt wird erleichtert, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

 


Aufenthalt

Die Zusammenarbeit von einweisender Stelle und Institution muss auch während der Massnahme gewährleistet sein. Gemeinsame Standortbestimmungen unter Einbezug des Herkunftsmilieus sowie regelmässige Kontakte sind für eine sorgfältige Aufenthalts- und Erziehungsplanung sowie Begleitung der Massnahme notwendig. Gegenseitige Erwartungen werden rechtzeitig zur Sprache gebracht, allfällige Konflikte zwischen Institution und einweisender Stelle direkt und offen ausgetragen. Kann der von der einweisenden Behörde formulierte Auftrag nicht weitergeführt werden, und stösst die Institution mit der Betreuung der Jugendlichen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten, so bemühen sich beide Seiten gemeinsam, eine geeignete Anschlusslösung zu finden. Muss der Aufenthalt vorzeitig abgebrochen werden, so erfolgt vorgängig ein Gespräch zwischen der Institutionsleitung und der einweisenden Behörde. Die aktive Zusammenarbeit und die gegenseitige Information sind in dieser Phase besonders unerlässlich:

 


Austritt

Die Vorbereitung auf den Austritt der Jugendlichen aus der Institution soll stufenweise erfolgen. Begleitetes Wohnen, Aussenwohngruppen, betreute Wohngemeinschaft und betreutes Einzelwohnen ausserhalb der Institution, aber auch Beratung bei der Rückkehr ins Herkunftsmilieu erleichtern den Jugendlichen die Ablösung und fördern eine selbständige und eigenverantwortliche Lebensführung.

So wie der Eintritt in die Institution ist auch der Austritt gemeinsam und sorgfältig zu planen. Die Jugendlichen sollen in eine möglichst geordnete Lebenssituation entlassen werden, in welcher Wohnen, Finanzen und Tagesstruktur geregelt sind. Da der Austritt aus der Institution nicht zwingend gleichbedeutend mit der Beendigung der Massnahme ist, kommt der Nachbetreuung eine erhebliche Bedeutung zu.

 


Cheklisten

Relevante Kriterien für Auswahl der stationären Jugendhilfeeinrichtung

Mögliche Institutionstypen

❏ Beizug einer aktuellen Liste der möglichen Einrichtungen
❏ Auswahl von in Frage kommenden Institutionen, welche die Bedarfskriterien erfüllen
❏ ev. Rückfrage bei anderen einweisenden Stellen

Telefonische Anfrage(n)

Konkrete Durchführung der Platzierung

Checkliste für die stationäre Jugendhilfeeinrichtung

Bei Anruf einer möglichen einweisenden Stelle:

❏ Eingang Anmeldung und Unterlagen
❏ Vorstellungstermin vereinbaren; Vorstellungsgespräch vorbereiten und durchführen
❏ möglichst speditive Rückmeldung an die zuständige Behördenvertretung
❏ Eingang Kostengutsprache und Einweisungsverfügung
❏ Eintrittstermin mit allen Beteiligten (intern und extern) festlegen
❏ mit einweisender Behörde, Jugendlichen, Eltern und weiteren beteiligten Personen / Behörden Eintrittsformalitäten besprechen und planen (z.B. Kleidung,Medikamente, Ausweise)
❏ Eintritt vorbereiten (Bezugsperson bestimmen, Zimmer vorbereiten etc.)